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Alle aussteigen, bitte!

Foto: Jon Guler

27 Haltestellen, unzählige Abenteuer: Entlang der Limmattalbahn-Linie gibt es viel zu entdecken. Kommen Sie mit auf eine Tour durch die Region.

Texte: Gabriela Dettwiler, Ursula Huber, Sara Lisa Schäubli, Fotos: Jon Guler

Der Griff zum Handy, ein Blick auf die Karten-App und schon ist klar, wie lange der Weg mit Auto, Velo oder S-Bahn dauert. Ab dem 11. Dezember 2022 kommt noch eine Möglichkeit hinzu: die Anfahrt mit der Limmattalbahn. Bis Limmattalerinnen und Limmattaler ganz selbstverständlich ins Tram steigen, wird es wohl noch etwas dauern, und so lange gleicht jede Fahrt mit dem neuen Tram einem kleinen Abenteuer gleich vor der Haustür.

Aber bitte nicht nur durchfahren, sondern erfahren: an den 27 Haltestellen von Zürich-Altstetten bis Killwangen-Spreitenbach. «36 km» hat sieben Stopps rausgepickt, an denen sich ein längerer Halt lohnt. Noch bequemer ins neue ZSC-Stadion? In Schlieren eine grüne Oase auf einem Tunneldach entdecken? Mehr über ein neues Dietiker Quartier erfahren? Das alles ist entlang der Limmattalbahn-Linie möglich.

1. Haltestelle Seidelhof, Zürich:
Auf Schienen zu den Kufen

Foto: ZSC Lions AG

«14 Minuten ab Spreitenbach mit der S12», hiess es auf Plakaten, die im Spätsommer in der Region zu sehen waren. Die ZSC Lions warben damit für die gute Erreichbarkeit ihres neuen Eishockeystadions mit dem öffentlichen Verkehr. Ab Dezember ist die Anreise sogar noch bequemer. Wer zur Swiss Life Arena in Zürich-Altstetten möchte, steigt einfach an der Limmattalbahn-Haltestelle Seidelhof aus. Sie liegt unmittelbar bei der Gleisunterführung zum Stadion.

Das Gebäude bietet Platz für 12 000 Eishockeyfans. Die Ränge sind steil und beginnen nahe am Spielfeld, die Sicht aufs Eis ist deshalb optimal. Ausserdem entsteht so die Wirkung eines «Hexenkessels», der eine mitreissende Atmosphäre schaffen soll. Dafür, dass niemand ein Goal verpasst, sorgt der riesige 360-Grad-LED-Kubus im Zentrum. Neben Sportwettkämpfen finden Shows und Firmenevents in der Arena statt

2. Haltestelle Reitmen, Schlieren:
Beton trifft Grün

Foto: Jon Guler

Unweit der Limmattalbahn-Haltestelle Reitmen auf der Badenerstrasse wurde in der Hitzewelle vom Juli 2022 die höchste Temperatur im Kanton Zürich gemessen: 38,7 Grad Celsius. Die Vermeidung solcher Hitzeinseln ist nicht nur von der geografischen Lage abhängig, sondern auch von der Umgebungsgestaltung. Und das bedeutet konkret: weniger Beton, mehr Grün.

Die Limmattalbahn fährt deshalb wo immer möglich auf Grüntrassee, sprich auf begrünten Schienenbeeten. Das führt zu weniger versiegelten Flächen und hat einen kühlenden Effekt, da Wasser verdunsten kann. Ausserdem wurden entlang der gesamten Strecke schattenspendende Bäume gepflanzt. Bis die Alleen und Schienenbeete voll entwickelt sind, wird es naturbedingt noch einige Jahre dauern – um dann hoffentlich weiteren Hitzerekorden vorzubeugen.

Fährt man mit der Stadtbahn eine Station weiter in Richtung Spital Limmattal, durchquert man den neuen, rund 250 Meter langen Tunnel unter dem Färberhüsli. Darüber zeigt sich, wie man auch in Städten dem Verlust von Pflanzen-, Tier- und Insektenarten entgegenwirken kann: Mit Saatgut aus der Region wurde eine ökologische Ausgleichsfläche angelegt, eine gesetzliche Vorgabe beim Bau der Limmattalbahn. Die Magerwiesen und Hecken werden seit der Einweihung der Fläche im Juni 2022 grösstenteils sich selbst überlassen und sollen sich so zu einem biodiversen Tummelplatz entwickeln dürfen.

Und auch die Menschen profitieren vom Umweltprojekt. Im Wildobstgarten und bei der Nussbaumreihe können Nüsse, Holunder oder Hagebutten gesammelt werden, und Sitzbänke laden zum Verweilen und Beobachten der sich entfaltenden Natur ein.

3. Haltestelle Kantiallee, Urdorf:
«Durch die Limmattalbahn steigt das Interesse an Urdorf-Nord»

Foodtrucks, Konzerte und autonomes Einkaufen sollen das Industrie- und Gewerbegebiet in Urdorf-Nord beleben. Seit rund einem Jahr bespielt die Gemeinde das Luberzenareal. Die Projektleiterin für die Entwicklung von Urdorf-Nord, Rebecca Broekema, zieht Bilanz.

Ein Jahr Luberzenareal, wie lief es bisher?

Wir haben gemerkt, dass unsere einfache Idee, auf dem Areal Aufenthaltsmöglichkeiten und Verpflegung anzubieten, Aufwind bekommen hat. Das Interesse wuchs immer weiter. Zum Schluss hat sich das Luberzenareal zu einem kleinen Eventlokal entwickelt.

Wer hat diese Entwicklung vorangetrieben?

Die Konzerte zum Beispiel wurden von aussen angestossen. Jemand, der vor Ort arbeitet und auf dem Luberzenareal oft Mittag isst, spielt in Bands. Er hat vorgeschlagen, auf dem Areal Konzerte zu veranstalten. Und am Ambiente hat sich richtig was geändert, als die Summer Lounge aus Dietikon zu uns zog. Da kam Sommer-Feeling auf!

Foto: zVg

Da hat sich in kurzer Zeit viel verändert. Gab es auch Kritik?

Wir hatten mit bekannten Problemen zu kämpfen: Lärm, Littering, Vandalismus. Aber wir wollen lösungsorientiert denken und stetig optimieren. So haben wir zum Beispiel gemerkt, welche Tage und Zeiten in der Nachbarschaft besser oder schlechter ankamen.

Musik, Essen oder Shopping: Was hat am besten funktioniert?

Das hat sich alles gut ergänzt. Während der Saison kamen noch mehr Foodtrucks hinzu. Ausserdem haben sich so viele Bands gemeldet, dass wir pro Woche vier Konzerte hätten veranstalten können. Die Avec-Box mit dem autonomen Shopping war ein guter Aufhänger. Das hat die Leute neugierig gemacht.

Was passiert in Zukunft rund um das Luberzenareal?

Seit klar ist, dass die Limmattalbahn kommt, steigt das Interesse an Urdorf-Nord. Grosse Projekte sind sicher die Erweiterung und Sanierung der Kantonsschule Limmattal sowie die Entwicklung eines grösseren Perimeters entlang «In der Luberzen» fürs Wohnen. Klar ist: UrdorfNord zu positionieren und zu beleben, wäre ohne die Limmattalbahn in dieser Form nicht möglich.

Rebecca Broekema, Projektleiterin für die Entwicklung von Urdorf-Nord. Foto: zVg

4. Haltestelle Schäflibach, Dietikon:
Nächster Halt Natur

Foto: Aargau Verkehr AG

Von der Haltestelle ist der Fluss nur einen Steinwurf entfernt: Einmal unter den Gleisen durch und schon steht man am Limmatufer. Nun haben Spaziergängerinnen und -gänger die Qual der Wahl: den Weg nach Baden nehmen oder Richtung Zürich schustern? Der Limmatuferweg ist durchgängig beschildert und bietet viele Informationstafeln zum Limmattal. Ausserdem lockt in beiden Richtungen ein Kloster – Wettingen oder Fahr – als Ausflugsziel. Der Weg bietet sich natürlich auch mit dem Velo an. Je nach Jahreszeit laden verschiedene Bade- und Picknickplätze entlang der Strecke zu einer Pause ein. Wer müde Füsse oder einen platten Reifen hat, kann zwischen Killwangen-Spreitenbach und Zürich-Altstetten jederzeit wieder in die Limmattalbahn einsteigen

5. Haltestellen Niderfeld und Maienweg, Dietikon:
«Wir wollen im Niderfeld ein Leuchtturmquartier erschaffen»

Felder und Wiesen, einige Autohändler, Brachland – viel mehr ist nicht zu sehen bei den Haltestellen Niderfeld und Maienweg am Stadtrand von Dietikon. Noch nicht, denn auf dem rund 40 Hektar grossen Areal soll ein neuer Stadtteil entstehen. Roger Bachmann (SVP), Stadtpräsident von Dietikon, spricht über das riesige Bauvorhaben.

Herr Bachmann, frühestens ab 2028 soll auf dem Niderfeld Raum geschaffen werden für rund 3000 Dietikerinnen und Dietiker und 4000 Arbeitsplätze. Wie plant man einen Stadtteil in dieser Grössenordnung?

Das passiert nicht von heute auf morgen. Schon in den 1950er- und 60er-Jahren wurde kontrovers diskutiert, was mit dem Niderfeld passieren soll: Will man die grüne Wiese belassen, soll man Landwirtschaft betreiben oder das Gebiet bebauen? 1995 wurde das Niderfeld dann im Richtplan des Kantons Zürich als Zentrumsgebiet definiert, welches im Zuge der kantonalen Raumplanungsstrategie entwickelt werden soll. Im Jahr 2008 hiess das Dietiker Stimmvolk zudem in einer Abstimmung eine entsprechende Einzonung des Gebiets gut.

Was wird man konkret antreffen, wenn man im Jahr 2040 die Limmattalbahn an der Haltestelle Niderfeld verlässt?

Wir wollen im Niderfeld ein Leuchtturmquartier erschaffen, das einerseits attraktives Wohnen ermöglicht und hochwertige Arbeitsplätze schafft, andererseits aber auch ökologisch nachhaltig ist. So soll etwa der Teischlibach, der heute kaum sichtbar quer durch das Gebiet fliesst, renaturiert werden. Ein grosser, öffentlich zugänglicher Park wird das Herzstück des Quartiers sein. Dazu soll es ein grosses Schulhaus mit einer Dreifachturnhalle geben.

Foto: Jon Guler

Eine Kritik an solch grossen Überbauungsvorhaben ist, dass die Quartiere oft charakterlos und isoliert sind. Könnte das Niderfeld auch so enden?

Ich bin zuversichtlich, dass das Niderfeld ein lebendiger und integraler Teil von Dietikon wird. Um einer «Schlafstadt» vorzubeugen, in der das Zuhause nur Schlafplatz und nicht LebensRoger Bachmann, Stadtpräsident Dietikon mittelpunkt ist, muss man den Menschen Freizeitmöglichkeiten bieten. Ein Schulhaus etwa ist ein zentrales Element: Es zieht Familien an, die das Quartier vitalisieren und mit einer Identität versetzen. Ein grosser Vorteil des Niderfelds ist auch die Anbindung an die Limmattalbahn. Es gibt zwei Haltestellen (Niderfeld, Maienweg), die direkt ins Stadtzentrum von Dietikon führen.

Bis dahin vergeht noch einige Zeit. Was geschieht mit dem Areal in den nächsten Jahren?

Eine wertvolle Zwischennutzung wird die Erlebnisausstellung «Phänomena» im Jahr 2024 sein. Themen, die uns in der Gebietsplanung beschäftigen, werden auch durch die Ausstellung aufgegriffen, zum Beispiel Energieversorgung, Natur und Klima. Die «Phänomena» und das Niderfeld passen damit wunderbar zusammen. Der Erlebniscampus ist eine grosse Chance für Dietikon und das Limmattal, sich in einem anderen Licht – im richtigen Licht – zu zeigen: als moderne, offene Region, in der viel in Bewegung ist.

Roger Bachmann, Stadtpräsident Dietikon. Foto: zVg

6. Depot, Dietikon:
Wo die Trams schlafen

Foto: Aargau Verkehr AG

Es ist nicht zu übersehen: das neue Depot Müsli der Limmattalbahn. Eingebettet zwischen Rangierbahnhof und grüner Wiese breitet sich die 150 Meter lange, schwarze Wellenfassade aus. Das Zuhause der Limmattalbahn steht auf dem Grenzgebiet zwischen Dietikon und Spreitenbach und zwischen den Haltestellen Kreuzäcker und Niderfeld. Hier beginnt und endet für die Trams jeder Arbeitstag. Sie werden in der langen Waschstrasse geduscht und vom Podest oder der Arbeitsgrube aus gewartet. Den Kontrast zum dunklen Äusseren bilden die Innenräume, die komplett in einem hellen Grau gehalten sind und durch vier Hauben mit viel Tageslicht versorgt werden. Denn im Depot befinden sich auch Büros, Werkstätten und Lagerflächen. Jürg Senn ist Mitbegründer von 10:8 Architekten und hat die Limmattalbahn-Haltestellen und das Depot gestaltet. Laut ihm wurde die Verlängerung beim Bau schon mit berücksichtigt. Das Depot ist für eine mögliche Vergrösserung ausgelegt.

7. Haltestellen Ikea, Shoppi Tivoli und Umwelt Arena, Spreitenbach: Shoppi mit Bahnhof

Foto: Aargau Verkehr AG

Spreitenbach hat endlich einen eigenen Bahnhof! Möglich macht dies die Limmattalbahn. Von der Haltestelle Shoppi Tivoli erreichen Besucherinnen und Besucher über eine Rolltreppe direkt die Center Mall. Die Haltestelle ist ausserdem in die Wohnüberbauung Tivoli Garten integriert. Ikea Spreitenbach verfügt ebenfalls über eine eigene Haltestelle mit direkter Umsteigemöglichkeit auf Buslinien – praktisch für die Besucherinnen und Besucher wie auch für die Mitarbeitenden. Nach der Shoppingtour kann man den Tag zum Beispiel im Kino Pathé ausklingen lassen, das Multiplex-Kino ist mit der Limmattalbahn ebenfalls gut erreichbar. Für einen Tagesausflug hingegen bietet sich die Umwelt Arena Schweiz an. Das Kompetenzzentrum für Energie- und Umweltfragen liegt direkt an der gleichnamigen Haltestelle. In rund 45 Ausstellungen lässt sich das Thema Nachhaltigkeit erleben, dazu kommen diverse Sonderausstellungen. Viel Spass haben Gross und Klein bei einer Testfahrt mit E- und Fun-Fahrzeugen auf dem Indoor-Parcours.