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«Jetzt geht es darum, KI zu integrieren»

Als Community Manager von «Innovate Switzerland» will Stefan Pabst Schweizer KMU den Einsatz von künstlicher Intelligenz näherbringen. Im Interview erklärt er, wieso sich ihr Einsatz heute schon lohnt und worauf es bei der Umsetzung im Betrieb ankommt.

Interview: Florian Schmitz; Foto: Sandra Schmitter

Bei den meisten Schweizer KMU fehlt eine KI-Strategie. Warum sind die Hürden für sie so hoch, um künstliche Intelligenz in ihren Betrieb zu integrieren?

Das ist nicht bloss ein Schweizer Phänomen. In KMU sind die Ressourcen für Themen, die nicht das Kerngeschäft betreffen, extrem limitiert. Wenn sie sich umfassender mit dem komplexen Bereich KI beschäftigen wollen, müssten sie an anderer Stelle Abstriche machen. Und das ist in diesen dynamischen Zeiten mit vielen anderen Herausforderungen sehr schwierig.

Was hat die Community Innovate Switzerland dazu veranlasst, selbst einen so umfassenden Leitfaden auszuarbeiten?

In vielen Unternehmen kommen aktuell von Mitarbeitenden, die KI in ihrem Alltag nutzen, einzelne Impulse. Das zu organisieren und systematisch eine Governance aufzubauen, ist anspruchsvoll. So ist die Idee für den Leitfaden entstanden. Wir wollen mit dieser Zusammenstellung von kostenlosen Inhalten eine Startrampe bauen und die Hürden senken. Die Zeit, die wir für den Leitfaden investiert haben, kann kein kleines oder mittleres Unternehmen mal schnell aufwenden.

Hat sich der Aufwand gelohnt?

Absolut. KI ist eine Basistechnologie, die die nächsten Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte, prägen wird in allen Branchen und in allen Abschnitten der Wertschöpfungskette. Damit Unternehmen sich darauf einstellen und KI bestmöglich integrieren können, müssen sie jetzt damit anfangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Weil in der Schweiz die grosse Mehrheit der Unternehmen KMU sind, haben wir uns entschlossen, ihnen eine Hilfestellung zu liefern.

«Damit Unternehmen sich darauf einstellen und KI bestmöglich integrieren können, müssen sie jetzt damit anfangen, sich mit dem Thema zu beschäftigen.»

Stefan Pabst

Wo können KMU von KI profitieren?

Ich würde von zwei verschiedenen Phasen sprechen. Tools wie der Co-Pilot von Microsoft oder ChatGPT sind als Alltagswerkzeuge bereits für alle verfügbar und können von der Kommunikation bis zur Geschäftsentwicklung unterstützend genutzt werden. Das alles funktioniert branchenunabhängig. Dennoch braucht es auch dafür bereits klare Vorgaben und den systematischen Zugang zu den Tools, damit die Mitarbeitenden nicht in einer halbprivaten Grauzone unterwegs sind.

Und wie sieht es mit der zweiten Phase aus?

Hier geht es vor allem um Prozessautomatisierungen und die Weiterentwicklung des jeweiligen Geschäftsmodells. Das wird deutlich komplexer, weil KI-Tools viel individualisierter eingesetzt werden müssen. Um das Potenzial von KI auch auf das individuelle Geschäft bezogen abschöpfen zu können, sind gute Datengrundlagen essenziell. Da besteht noch Nachholbedarf, in vielen Unternehmen wurden in den letzten Jahren Daten eher fragmentiert und in unterschiedlichen Formaten abgelegt.

Besteht für KMU eine besondere Dringlichkeit, auf KI zu setzen, um im schnelllebigen Entwicklungsumfeld nicht den Anschluss zu verpassen?

Es ist wichtig, sich jetzt mit den grundlegenden Mechanismen zu beschäftigen und Berührungsängste abzulegen. Das ist eine Technologie, die wie Elektrizität oder das Internet unser Berufsleben durchdringen wird. Deswegen geht es darum, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen und die Potenziale wirklich systematisch zu identifizieren. Das ist nur möglich, wenn man in der Lage ist, die eigene Arbeit mit dem, was diese Technologie bietet, zu verknüpfen. Und dafür muss man beide Seiten sehr gut kennen. Aber ein wenig Gelassenheit ist auch angebracht.

Können Sie das erklären?

Die gute Nachricht ist, dass die Schweiz stets extrem erfolgreich darin war, neue Basistechnologien anzunehmen. Deswegen mache ich mir keine Sorgen, dass die Entwicklung verschlafen wird. Es geht jetzt darum, die rechtlichen Grundlagen sicherzustellen und vor allem auch die Menschen zu befähigen. Dazu wollen wir mit Innovate Switzerland einen Beitrag leisten. Um KI bestmöglich einzusetzen, müssen wir einen souveränen Umgang damit erreichen. Und dafür ist die Schweiz wunderbar aufgestellt und auf einem guten Weg.


Stefan Pabst

Der studierte Philosoph und Physiker Stefan Pabst ist Senior Project Manager beim Zürcher Think Tank «W.I.R.E.». Seit 15 Jahren arbeitet die Denkfabrik an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis und berät öffentliche sowie private Organisationen bei Zukunftsfragen. Eines ihrer Mandate ist die Betreuung der 2022 von Microsoft Schweiz lancierten Community Innovate Switzerland, die der 43-jährige Pabst als Community Manager begleitet.


Ein komplexes Thema, das Unsicherheiten verursachen kann, ist der Datenschutz. Ist dieser deshalb auch ein wichtiger Teil des Leitfadens?

Die juristische Dimension ist komplex und gehört nicht zum Kerngeschäft der meisten KMU. Deshalb führen Unwissenheit und Unverständnis oft dazu, sich damit lieber erst mal nicht zu beschäftigen. Damit nicht jedes Unternehmen diese Kompetenz von Grund auf selbst aufbauen muss, haben wir diese Inhalte zusammengetragen. Wir sehen auch die Branchenverbände in der Pflicht, zum Beispiel für ihre Mitglieder solche Grundlagen zu entwickeln und den Erfahrungsaustausch untereinander zu ermöglichen. Wir brauchen branchenübergreifende Frameworks, die für die Einzelnen die Hürden senken, sich mit den grundlegenden KI-Themen zu beschäftigen.

Sie haben angesprochen, wie schnell die Entwicklung in den letzten zwei Jahren abgelaufen ist. Geht es im gleichen Tempo weiter?

Nein, das glaube ich nicht. Natürlich wird es technologische Weiterentwicklungen geben, aber wir befinden uns in einer Phase, die von kleineren Schritten geprägt ist. Jetzt geht es darum, die vergleichsweise mühsame Grundlagenarbeit zu leisten, die wir besprochen haben. Also KI in die Unternehmensstrategien, die Arbeitskultur und Fortbildungsprogramme zu integrieren sowie – und das kann man nicht genug unterstreichen – die eigenen Datengrundlagen so aufzubereiten, dass sie für KI verwertbar werden.

Viele KI-Versprechen müssen sich nun materialisieren, und es gilt auch, ihre Wirkung in der Praxis zu überprüfen. Denn die Auseinandersetzung mit KI ist eine Investition, die sich irgendwann lohnen muss. Und wir dürfen nicht vergessen, dass diese Basistechnologie allen Unternehmen zur Verfügung steht. Deshalb geht es in den nächsten Jahren auch darum, herauszufinden, wie man sich bei der Nutzung von KI von anderen unterscheiden kann.

Hier geht es zum Schulungsleitfaden für Schweizer KMU